· 

Bilder im Kopf – oder: Träume in Druckbuchstaben  

 

TRÄUME

Finger hoch: wer hat letzte Nacht geträumt? 

Und: wer kann sich daran erinnern?

Und: wie sah das Ganze aus? (Nein, bitte, ich will keine Inhalte hören!!!!) Mich interessiert viel mehr, ob der Traum farbig oder schwarz-weiß war? Mmmmmh, spannende Frage, oder? Ehrlich gesagt hab ich noch nie wirklich darüber nachgedacht. Tatsächlich nahmen wohl schon Epikur und Aristoteles an, dass Menschen farbig träumen – eben so, wie sie ihre Umwelt wahrnehmen. Interessanterweise gaben aber mit Aufkommen von Schwarz-Weiß-Filmen in den 1940er Jahren bei einer Studie 40% der Teilnehmer an, sie würden nie farbig träumen... In den 1960ern waren es dann 80% der Versuchspersonen, die sagten, sie würden ihre Träume in Farbe sehen. Lag das am aufkommenden Farbfernsehen? Hier streiten sich die Wissenschaftler noch immer und es gibt tatsächlich noch keine eindeutige Aussage. 

 

In diesen Streit wollen wir uns aber heute auch gar nicht einmischen. Hier soll es um etwas gehen, bei dem wir uns wahrscheinlich einig sind (wenn nicht, freue ich mich sehr über eine entsprechende Rückmeldung). Ich denke, wir können uns darauf verständigen, dass wir wohl das Meiste in diesen Nachtfilmen als Bilder wahrnehmen, oder? Gut. Halten wir das mal so fest: Wir träumen Bilder. 

 

SCHILDER

Nächster Punkt: Wie sieht ein Vorfahrt-achten-Schild aus? Auch hier können wir uns wohl darauf einigen, dass es ein auf einer Spitze stehendes Dreieck ist mit einem roten Rand und einer weißen Füllung. Warum steht da aber denn eigentlich nicht: „Achtung, hier müssen sie die Vorfahrt der anderen Verkehrsteilnehmer achten!“ Na ja klar, das wäre ein bisschen viel Text und den mal eben schnell zu erfassen, wäre vermutlich nicht ganz einfach. Und würde wahrscheinlich viel Chaos anrichten. Und Unfälle. 

 

Spannend zudem: dieses Vorfahrt-achten-Schild ist international. Ich kann es (fast) überall aufstellen und die Verkehrsteilnehmer wissen Bescheid. Keine Übersetzung notwendig. 

 

Und noch etwas: die Bedeutung dieses Schildes haben wir irgendwann einmal gelernt. Wissen, was es bedeutet, tun wir immer noch. Auch wenn wir (mal angenommen) Jahre lang kein Vorfahrt-achten-Schild sehen würden, wüssten wir trotzdem immer noch, was es bedeutet. Immer wieder. 

 

EIN SPAZIERGANG

Machen wir ein kleines Experiment. Wir gehen gemeinsam spazieren. Virtuell. Jetzt und hier. Also, Schuhe an, los geht’s. Wir gehen aus der Haustür hinaus auf den Gehweg und biegen direkt nach links ab. Vorne an der Ecke müssen wir kurz warten, da ist die Fußgängerampel eben gerade auf rot gesprungen. Während wir noch stehen läuft an uns eine Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand vorbei – die haben es ganz schön eilig! Ok, Ampel ist grün, wir dürfen gehen. Auf der anderen Straßenseite angekommen werden wir fast von einem Fahrradfahrer angefahren, anscheinend hat der sogar geklingelt, aber wir waren ganz vertieft in unseren Spaziergang, dass wir es gar nicht gehört haben. Puh, kurzer Schreck, nichts passiert. Weiter. An der Ecke kommen wir an diesem netten kleinen Café vorbei. Mmmmmm. Aus der Tür heraus weht ein leckerer Duft... Kaffee... Frisch gebackene Croissants... 

 

Ok. Stopp. Wir beenden das Experiment hier. Alle holen sich kurz einen Kaffee und dann geht es weiter. 

 

Wieder da?

 

Also: worauf wollte ich mit meinem Experiment hinaus? Auch hier nehme ich wieder an, dass es allen ähnlich ging: es lief während des Lesens ein kleiner Film „vor dem geistigen Auge“ ab. Wahrscheinlich haben nur wenige noch die einzelnen Buchstaben des Textes gelesen, sondern vielmehr diesen kleinen Spaziergang mit mir unternommen. Den Windzug des Radfahrers gespürt. Den Kaffeeduft wahrgenommen.

 

BÜCHER

Eins noch. Ich bin ja ein absoluter Bücherfresser. Ich liiiiiiebe es zu lesen und kann mir ein Leben ohne Bücher ganz schwer vorstellen. Wenn ich lese (also keine Sachbücher, da geht das nicht so gut), dann versinke ich in der Erzählung. Leide und lache mit den Protagonisten. Erlebe die Geschichte mit. ...und bin am Ende eines Buches traurig, dass es nicht weiter geht. Das Schlimmste für mich? Bücher, die verfilmt werden. Mag ich nicht. Schau ich mir auch nicht gerne an. Warum? Mmmmh, weil das nie so ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Weil es nicht meine Bilder sind!

 

Wir sind also umgeben von Bildern. 

Wir träumen Bilder. 

In uns entstehen Bilder. 

Bilder sind international. 

Zeitlos. 

 

WARUM EIGENTLICH

Und warum schreiben wir eigentlich? Das ist doch total widersinnig! Eigentlich entspricht das so gar nicht dem, was uns umgibt. Vielmehr sollten wir doch malen! Tatsächlich ist es hierzu spannend, einen Blick in die (Kunst-)Geschichte zu werfen. Wir gehen zurück in eine Zeit, in der die meisten Menschen noch nicht lesen und schreiben konnten. Da waren es mündliche Überlieferungen, über die Wissen transportiert wurde. Kirchenfenster, anhand derer man sich die biblische Geschichte präsent gehalten hat. Nur ein paar wenige Gelehrte, häufig Mönche, konnten schreiben. Sie waren in der Lage, das Gesehene und Geschehene in Worte zu fassen und zu Papier zu bringen. Interessant, denn eigentlich ist das ja ein Transkribieren, ein Umsetzen und Übersetzen von einem Bild in das nächste. Denn Buchstaben sind ja eigentlich auch nichts anderes als Bilder. Oder Symbole. Ganz schön umständlich! 

 

[Kleiner Exkurs.] Hi, hi. Und manchmal kann man das, was man aufgeschrieben hat, selber nicht mehr entschlüsseln. Beim Einkaufszettel. Oder wenn ich an die Mitschriften aus Studienzeiten denke... Geschweige denn, dass es ein Zweiter versteht. Also eben diese Mitschriften. Wenn ich die zum Beispiel jemandem zur Verfügung gestellt habe, der an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnte. Ich bin mir sicher, dass mindestens die Hälfte der Inhalte nicht angekommen ist. 

 

So. Daraus können wir zum einen schließen: wir sollten mehr malen. Zeichnen. Warum der Umweg über die Buchstaben? Ausprobieren! Der nächste Einkaufszettel wir gezeichnet ;)

 

Zum einen. Zum anderen könnten wir uns vielleicht diesen Aspekt ins Gedächtnis rufen, wenn wir uns mal wieder der Kunst widmen, vor einem Gemälde stehen und bei uns denken: Äh? Versteh ich nicht... Oder haben wir es vor lauter Buchstaben im Kopf vielleicht verlernt zu verstehen?

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0