Na, im letzten Jahr auch kräftig aussortiert? Auch unter denjenigen gewesen, die nach dem ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr in der Schlange vor dem Recyclinghof standen? Plattformen wie Momox, Rebuy, Kleiderkreisel und Co. genutzt? Oder vielleicht ganz neu kennengelernt?
Seit einiger Zeit gibt es da anscheinend wirklich einen Trend und das „zu-Hause-sitzen“ der letzten Monate hat ihn wohl noch verstärkt. Wir räumen aus und auf was das Zeug hält. Na klar, je mehr Zeit wir zu Hause verbringen, um so mehr fallen uns die Dinge (bewusst) auf, die uns täglich umgeben. Um so schöner, praktischer, aufgeräumter soll es in unseren vier Wänden sein. Und so räumen und rücken wir, sortieren, legen ab. Bei einigen Dingen fällt es uns ganz leicht, bei anderen weniger.
Und dann wird weggeschmissen – um 6 % ist unsere Müllproduktion angestiegen im letzten Jahr. Klar, es wird mehr bestellt und somit fallen mehr Verpackungen an und das abgeholte Essen (oder das gebrachte) kommt auch nicht immer auf Meißener Porzellan, sondern wohl eher in günstigen, aber eben nicht besonders nachhaltigen Umverpackungen. Das meiste davon kann in der großen Tonne des Mehrfamilienhauses entsorgt werden. Fällt ja keinem auf. Aber so manche Sachen, die gehören da halt nun mal definitiv nicht rein.
In Japan gibt es zum Beispiel seit einigen Jahren schon Friedhöfe für elektronische Geräte. Ok, die gibt’s bei uns auch – oder wie heißt die Schublade mit den ganzen alten Handys? Nein, Spaß beiseite, es ist doch wirklich so, dass man zu manchen Dingen eine wahre Beziehung aufbaut, sogar mit ihnen spricht („du Mistding, jetzt mach mal endlich“ oder „blödes XY, warum funktionierst du nicht“ manchmal auch ein flehentliches „biiiiiiitteeeee“ – und würden uns wahrscheinlich sehr erschrecken, wenn eine tatsächliche Antwort käme. Siri? Alexa?) Nun denn, so ist es mit den Geräten. Und dann gewöhnt man sich an sie und dann ist irgendwann aus. Im wahrsten Sinne des Wortes. Tutti. Das ist ja bei einem Toaster noch keine große Sache. Aber bei einem Smartphone ist es dann doch schon ganz anders. Und erst bei einem Tamagotchi, Roboter-Hund und was es nicht alles gibt?! Die werden gefüttert, gereinigt, gepflegt... eine echte emotionale Beziehung aufgebaut. Und wenn da irgendwann nur noch „over and out“ ist? Tilt? Dann erfolgt in Japan eine Beerdigung, mit Zeremonie, mit Bestattung. Und man kann „Robo-Bello“ oder wie auch immer er/sie/es geheißen haben mag, später noch besuchen. Auf einem Friedhof. Forever and ever.
Zurück zu den heimischen Wohnräumen. Wir waren beim Aufräumen. Umgekehrt kaufen wir auch weniger – klar, die Möglichkeiten sind ja auch nicht so gegeben. Und wahrscheinlich brauchen wir auch weniger. Im Home-Office braucht man zum Beispiel viel weniger Bekleidung. Ich möchte nicht wissen, wie viele in der Videokonferenz, im Zoom-Call, Teams-Meeting (oder wie es auch immer heißt) unter dem Schreibtisch die Jogginghose zum adretten und präsentierbaren Oberbekleidungsstück tragen. Sieht ja keiner. Und ist zudem noch bequem. Würde man ins Büro nicht tragen, aber so zu Hause... Also: weniger benötigt, weniger gekauft.
Make-Up ist in Masken-Zeiten sowieso doof, weil verschmiert. Und sehen tut man auch hier nicht viel davon. Also: wieder Geld gespart! Und so weiter.
Gekauft wird trotzdem, klar. Und witzigerweise tatsächlich Möbel! Ja, hätte ich auch nicht gedacht, macht aber irgendwie Sinn. Wenn ich da so am Räumen und Rücken bin (und Ausmisten) dann entsteht vielleicht die ein oder andere Lücke, die gefüllt werden kann (und natürlich muss!). Oder: wenn ich viel zu Hause bin, sehe ich auch immer das Gleiche und habe vielleicht das Bedürfnis nach Abwechslung, Umräumen, Gestalten. Und dann wird geklickt und eingesammelt oder geklickt und nach Hause geliefert. Der (Online-)Möbelhandel hat tatsächlich profitiert im letzten Jahr. Und das Kind hat auch einen Namen: Cocooning nennt man das. Einfacher könnte man auch „Nest bauen“ sagen.
Ist so. Da sind wir mehr daheim durch Home-Office, Kurzarbeit und was noch alles und sowieso und dann soll’s doch auch hübsch sein.
Interessant ist übrigens, dass dieses Ausmisten und Aufräumen ein echtes Wohlstandsding ist. Wir merken im Moment gerade, wie viel wir haben. Beziehungsweise, wie wenig wir davon brauchen. Eigentlich. Man weiß noch nicht so ganz, ob dieser „Drang zum Weniger“ anhalten wird. Und wie stark er ausgeprägt bleibt. Aber er ist da. Es wurde und wird Bücherweise darüber geschrieben. Es gibt Anleitungen zum Reduzieren, zum Sachen-behalten und zum Hübsches-aus-alten-Dingen-machen.
Und: Es wird gespart. Also noch mehr gespart. Die Deutschen waren da immer schon ganz vorne mit dabei, aber Corona hat tatsächlich die Sparrate noch einmal mehr nach oben gehen lassen. Etwa 20% des Einkommens werden auf die Seite gelegt. Durchschnittlich.
So, jetzt aber die andere Seite. Es besteht da ja durchaus ein Interesse, dass wir (wieder) (mehr) konsumieren. Aber einfach nur „mehr“ wollen wir (viele von uns) irgendwie auch nicht mehr. Da ist auf der einen Seite das gute Gefühl beim Anblick des wohlgenährten Sparschweinchens. Und dann sind da auch die Gewissensbisse bezüglich Umwelt, ökologischem Fußabdruck und alldem.
...und wirklich besser geht es einem allein durch Kaufen ja auch nicht.
Oder doch?
Na ja, zumindest kurzfristig ist vielleicht ein Kick da. Freude. Glück. Besitzstolz.
Dann der Moment, in dem das gute Stück im Alltag untergeht. Im Schrank verschwindet. Den ersten positiven Effekt verliert.
Aber zurück zur „anderen Seite“. Die, die gerne möchte, dass wir kaufen. Die Industrie, die Einzelhändler, die Produzenten, die vielen anderen, die ich in dieser Liste noch aufzählen könnte. All diese treibt jetzt (na gut, auch schon länger) das Nachdenken um, wie man den Verbraucher, den Konsumenten zum Kaufen bringen kann. Und das ist dann schlussendlich auch wieder eine Aufgabe für diejenigen, die es entwerfen, ein Designthema. (Ja, es hängen noch andere in dem Spiel drin, aber das Design steht an vorderster Stelle.)
Design muss hier die Frage beantworten, was wir (die Konsumenten) wollen. Bevor wir (die Konsumenten) wissen, was wir wollen. Und wie wir es wollen. Und dann muss es die Gewissenskonflikte beruhigen (s.o.). Schlussendlich nicht mehr und nicht weniger, als uns glücklich machen. Uns etwas verkaufen, von dem wir nie gedacht haben, dass wir es brauchen, aber wenn wir es erst einmal haben, wir es nie wieder missen wollen.
Kein leichter Job.
Aber genauso passiert Fortschritt. Innovation.
Nicht, indem die immer gleichen Bedürfnisse befriedigt werden. Sondern, indem Bedürfnisse geweckt werden. Bevor sie da sind.
Und wenn wir an diesem Punkt zur Überschrift zurückkehren: „In einer Welt voller Dinge: was bleibt?“ Dann sind es doch die Dinge, die Erlebnisse, die Momente, die uns glücklich machen, die bleiben. Alles, was uns positiv stimmt, bleibt in unserer Erinnerung. Schokolade.
So - Trick 17 mit Selbstüberlistung – also versuchen wir, uns selbst mit dem zu umgeben, was uns happy macht. Demzufolge kaufen wir auch eher etwas, von dem wir uns versprechen, dass es dies tut. (Kann im Übrigen auch ein Kunstwerk sein. Kunst kann auch glücklich machen.) Und um noch einmal auf das Designthema zu kommen: zu den „glücklich-Machern“ zählen auch Dinge, die uns das Leben erleichtern. Staubsauger, die selbständig arbeiten, Maschinen, die allein kochen, Bots, die uns sagen, was wir am liebsten mögen („Wenn du dieses Buch gelesen hast, dann gefällt dir auch das.“). Bleibt auch. Macht auch, das wir uns gut fühlen. Ist auch „entworfen, um zu bleiben“ ;) Und da die Dinger alle immer mehr können und gleichzeitig immer kleiner werden, haben wir weniger und doch eigentlich mehr...
Und an diesem Punkt ziehe ich mich jetzt mal zurück und lasse Raum für eigene Gedanken. Positive natürlich!
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