Ehrlich? Wir sollten uns öfters mal Künstler:innen zum Vorbild nehmen! Nein, nicht weil wir alle die Mona Lisa kreieren oder futuristisch aussehende Gebäude erschaffen sollen, sondern weil wir dadurch vielleicht wieder zu einem entspannteren Umgang mit manchen Dingen finden könnten. Und eventuell springt auch noch ein bisschen mehr Kreativität für den Alltag dabei heraus.
Oh, ich höre schon die Stimmen „Aber ich kann gar nicht malen[1]“ – aber darum geht es auch nicht. Bei einem kleinen, harten Maiskorn vermutet man ja zunächst auch nicht, dass es mal locker-fluffiges Popcorn sein könnte. Mit ein bisschen Zucker sogar ganz schmackhaft (ok, meinetwegen auch mit Salz oder was immer Geschmack beiträgt).
Es gibt verschiedene Aspekte im Arbeiten von Künstler:innen, die durchaus im Alltag (oder auch im Berufsleben) eine Bereicherung bringen könnten. Für uns alle. Zum Beispiel haben wir in uns sooooo oft dieses „aber wenn’s schief geht?“ und fangen deshalb bestimmte Dinge gar nicht erst an.
Super.
Dann weiß ich aber auch nie, ob’s wirklich schief gegangen wäre! Also: bleiben lassen ist keine Alternative. Beispiel Künstler:in: da steht ja auch niemand vor der großen, weißen Leinwand, dem glatten, weißen Blatt Papier und denkt: „Boah, ich würde dich schon gerne bemalen, aber wer weiß, das könnte ja auch total in die Hose gehen… Ich glaub, ich lass dich so, wie du bist.“[2] Im Gegenteil – manche Künstler:innen überarbeiten ihre Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen oder was auch immer zehn Mal, zwanzig Mal, keine Ahnung wie oft. Warum denn auch nicht?! Steht doch nirgendwo, dass irgendetwas beim ersten Mal gleich fertig, perfekt oder was weiß denn ich sein soll. Oder? Eben! Ausprobieren, und wenn’s gut ist: prima! Wenn nicht: nochmal machen. Tut doch gar nicht weh. Ist aber in unserer Kultur so ein Drama. Scheitern. Um Gottes Willen, das geht gar nicht! „Oh, dein Kuchen sieht aber toll aus und wie der schmeckt!“ …und keiner sieht, dass das der x. Käsekuchen ist, der im Ofen stand und alle vorher sahen einfach sch… aus oder haben zum k… geschmeckt. Es gibt doch diesen Spruch „Übung macht den Meister“ (oder die Meisterin) – da steht nichts in der Fußnote, aus wie vielen Versuchen „Übung“ besteht. Das ist doch das Schöne: es gibt in der Kunst kein „falsch“. Es gibt im Übrigen auch keine Bedienungsanleitung. Ebenso wenig gibt es die für unser Leben. Deshalb: ausprobieren und wer weiß, vielleicht macht’s ja Spaß. Wenn nicht, gut, dann ist da eventuell ein bisschen Zeit für drauf gegangen, aber verloren hat man deshalb ja trotzdem nichts. Im Gegenteil: zumindest eine Erfahrung hat man gewonnen. Und macht es dann halt nicht mehr. So what!?
Aber gehen wir mal vom Positiven aus: Es gelingt, es macht Spaß – dann macht man es vielleicht öfters (und stellt sich vielleicht die Frage, warum man dies oder jenes nicht vielleicht schon viel früher ausprobiert hat. Empfehlung: diese Frage streichen – einfach den Moment genießen und das es jetzt so ist, wie es ist!).
Und wenn der Fallschirmsprung Spaß gemacht hat, dann ergeben sich dadurch ja vielleicht neue Ideen. Bungeejumping vielleicht? (Ok, ich bin an dieser Stelle komplett raus – so etwas war nie mein Wunsch und wird es wohl auch nicht mehr werden. Aber es gibt ja genügend tausend andere Dinge, die man ausprobieren kann. Trotzdem frage ich mich manchmal, ob Vögel eigentlich Spaß am Fliegen haben. Also, manchmal sieht das echt so aus. Ich hab ja keine Ahnung, aber vielleicht bedeuten dann ja ihre Triller und Pfiffe auch „He, guck mal, die Böe, die ist echt krass!“ oder „trililu, ich liebe es, mich so vom Wind treiben zu lassen“) Fakt ist aber, das durch das eine tun sich wieder anderes Tun ergibt. Oder ergeben kann. Türen sich öffnen. It’s magic!
Wenn kreative Köpfe nicht immer wieder Dinge ausprobiert hätten, würden wir vielleicht immer noch in einem großen Topf über offenem Feuer kochen. Oder laaaange Texte auf der Schreibmaschine schreiben und uns ärgern, wenn im drittletzten Wort unten links sich doch noch ein Fehler eingeschlichen hat. (Nochmal von vorne…).[3] Und manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die den Unterschied machen. Derjenige, zum Beispiel, der diese „Ader-End-Hülsen“ für die Schnürsenkel entwickelt hat. Also, was weiß ich, wie diese kleinen Plastikteile richtig heißen, aber die haben echt was verändert!
Ach ja, und man muss ja gar nicht gleich irgendwie den Wahnsinns-Umbruch im Sinn haben. Es reicht ja schon, wenn man nur mal eine klitzekleine Kleinigkeit anders macht. Für sich. Niemanden sonst! Immer nur „Tatort“ wird ja auch langweilig ;)
Ein schlauer Mensch (ich weiß nicht wer) hat mal gesagt: „Aufenthalt in fremdem Land, mehrt und kräftigt den Verstand“. Ich mag diese Idee. Nicht unbedingt nur aufs Reisen bezogen. Ein „fremdes Land“ kann ja alles Mögliche sein, also das, was sozusagen außerhalb meines eigenen Tanzbereichs liegt. Ein Schritt darüber hinaus eröffnet eine neue Perspektive. (Oder mehrere.) Ja, bestimmt auch mal eine, die man lieber nicht gesehen hätte. Ok, dann halt wieder Schritt zurück, zur Seite, was weiß ich denn wohin. Einfach mal Rot statt Blau. Beweglich bleiben.
Astrid Lindgren lässt Pipi Langstrumpf sagen: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!“ Genau! Perspektiven wechseln, ausprobieren, einfach machen!
Apropos Perspektive. (Das passt ja auch zu dem „fremden Land“.) Pipi Langstrumpf konnte mit Konrads Spezialkleber an den Schuhsohlen auch die Wände hinauflaufen und sogar an der Decke gehen - kopfüber – ohne herunterzufallen. Dadurch hat sie ganz ungewohnte Blickwinkel einnehmen können und manche Dinge wahrgenommen, die sie vom „normalen“ Standpunkt so nicht gesehen hätte. Machen Künstler:innen und kreative Köpfe auch: mal den Blickwinkel ändern. Eröffnet neue Perspektiven!
Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr Beispiele aus dem kreativen Bereich fallen mir ein, die man sehr gut auf den Alltag übertragen könnte. Ich lass das jetzt aber einfach mal so stehen und wünsche allen einfach nur viel Spaß beim Ausprobieren! …könnt ja cool werden!
[1] Wahlweise austauschbar durch Zeichnen, Entwerfen, Planen, …
[2] Also ja, das gibt’s schon mal, man nennt das auch „horror vacui“ oder die Angst vor dem leeren Blatt – aber strenggenommen, ist das schon nochmal was anderes (wer weiterlesen will: bitte schön!)
[3] Damit möchte ich kein „früher war alles schlechter“ und auch kein „früher war alles besser“ vermitteln, sondern einfach nur aufzeigen, dass es anders war und das da mal jemand einen Prozess angestoßen hat
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