Paris.
Die Stadt der Liebe.
Eiffelturm, Montmartre und Sacre Coeur.
La Seine.
Oh la la.
Mit Paris verbinden wir – glaube ich – alle ganz bestimmte (vielleicht auch etwas verklärte) Bilder. Den Duft nach Croissants, la vie en rose, einen entspannten Tagesrhythmus, viel Rotwein und natürlich: Kunst! Kaum einer, der schon einmal in Paris war, ist nicht am Stahlkoloss des Monsieur Eiffel gewesen, hat zwischen den Pyramiden von Ieoh Ming Pei am Louvre posiert (oder auch pausiert) und ist durch die triumphalen Bögen der Stadt spaziert. Gewisse Dinge gehören einfach zu einem Besuch dieser (und jeweils natürlich auch anderer Städte) dazu.
Beim zweiten, dritten, vierten Mal aber ergibt sich vielleicht ein Blick auf andere Dinge. Geht es weg von den klassischen To Do’s hin zu ein bisschen Abenteuer! Wie wäre es denn zum Beispiel mit einem Spaziergang entlang der Axe Historique vom Louvre über die Seine bis zum Grande Grande Arche?! Diese „historische Achse“ ist eine der breiten Sichtachsen, die Paris durchziehen – auch Voie triomphale (Triumphweg) genannt. Ihre Anfänge gehen zurück auf das 16. Jahrhundert, hängen eng mit dem Bau der Champs-Élysées zusammen und führen schlussendlich im 19. Jahrhundert Richtung Westen über die damals bestehenden Stadtgrenzen hinaus. Das Ende lag in dem (damals kleinen) Vorort La Défense, der nach dem Krieg 1871 wegen der Verteidigung gegen die Preußen entsprechend benannt wurde. Mitterand ließ hier in den 1980er das schon bestehende Geschäftsviertel ausbauen und sich schließlich durch Johan Otto von Spreckelsen einen 1989 eingeweihten Triumphbogen errichten, den Grande Arche. Streng genommen liegt dieser nicht mehr ganz exakt in der Axe Historique, sondern knickt ein wenig ab – das ging leider aus statischen Gründen nicht anders. Der „große Bogen“ ist dennoch im Zusammenhang zum Arc de Triomphe du Carrousel oder auch Arc de Triomphe de l’Étoile zu sehen, also in der historischen Achse und mit aller Symbolik, mit so einem Triumphbogen daher kommt. Ja, Mitterand hat sich hier schon ein schönes symbolisches Triumphtor hingesetzt – nicht umsonst wurde das Riesentor auch am 14. Juli 1989, exakt zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution, eingeweiht! Knapp 110 Meter hoch und fast genauso breit und auch tief (also fast ein Würfel), mit einer Fassade aus Glas und feinstem Carrara-Marmor stand er für den Triumph der Wirtschaft, für die glorreichen Jahre… War aber alles andere als glorreich. Die Fassade bröckelte, der Aufzug auf die Besucherterrasse fährt nicht mehr – angeblich wegen technischer Probleme, viel mehr aber wohl, weil zu viel den Triumphbogen zum traurigen Endpunkt ihres Lebens gewählt haben… La Défense ist in die Jahre gekommen, hat heute nicht mehr viel vom Glanz der 1980er Jahre, der blühenden Wirtschaft. Ist aber trotzdem einen Besuch wert – und wenn es nur ist, um auf den hohen Freitreppe des Grande Arche zu stehen und hinabzuschauen auf die Stadt und (wenn es nicht ganz so Verkehrsdunstig ist) die Triumphbögen entlang bis zum Louvre zu schauen.
Apropos Louvre: Ein weiteres der Grands Projets unter François Mitterand, des großen Architekturprogramms, das Frankreichs herausragende Rolle in Kunst, Politik und Wirtschaft am Ende des 20. Jahrhundert dokumentieren sollte. (Oft verglich man in diesem Zusammenhang Mitterand mit Ludwig XIV. – zumindest die Größe der baulichen Tätigkeiten war ähnlich!). Nun denn, man begann also 1982 mit großen urbanen Umwälzungen, schrieb Wettbewerbe aus, brachte die moderne Architektur nach Paris. Die Louvre Pyramiden, das eben schon erwähnte Geschäftsviertel La Défense, das Institut du Monde Arabe, La Villette, die Bibliothèque nationale de France und andere Projekte wurden eingesteuert und bis spätestens 1998 umgesetzt. Allen Bauwerken gemein sind ähnliche Materialien – viel Glas, viel Transparenz – urbane Umstrukturierungen und eine Symbolik, die Denkmalcharakter für die Ewigkeit haben sollte (und vielleicht auch ein klitzekleines bisschen anmaßend und selbstherrlich war und ist).
Nein, nein, ich mein damit nicht, dass das alles schlecht ist. Und ich will es auch nicht schlecht reden. Aber es ist schon beachtlich, in welch kurzer Zeit hier Monumente entstanden sind, die das Gesicht von Paris schon sehr geprägt haben. Das haben nicht viele in der Geschichte der Stadt so hinbekommen – Georges-Eugène Haussmann, der Stadtplaner unter Napoléon III., war so ein Veränderer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: breite Boulevards, ohne Rücksicht auf Verluste, kompletter Umbau der Stadt, die Überführung der Metropole in das Industriezeitalter. Oder natürlich auch der eben schon einmal genannte Ludwig XIV. im 17./18. Jahrhundert. Aber eben. So oft kommen solche grandiosen Umwälzungen nicht vor. Und ja, sie verdienen Beachtung. Aber sie sind halt nicht immer alle so richtig prickelnd. Und vor allem: Geschmacksache!
Also, zurück zu meinen Empfehlungen für einen Paris-Besuch mal etwas abseits der Klassiker. La Défense habe ich genannt. Spannend ist es übrigens auch mit der Metro M1 hinauszufahren, denn diese fährt automatisch und fahrerlos – man kann also „ganz vorne“ stehen und die Fahrt einmal aus einer ganz anderen Perspektive genießen. Dies geht bei der M4 in Paris übrigens mittlerweile auch.
Weiter aber zu den Empfehlungen und zu einem meiner persönlichen Favoriten: das Institute du monde arabe. Es befindet sich direkt am Ufer der Seine im 5. Arrondissement und soll:te das Verständnis für die arabische Welt, den kulturellen Austausch usw. fördern. Und es hat für mich eine der beeindruckendsten Fassaden, die der französische Architekt Jean Nouvel jemals geplant und errichtet hat. Sie besteht aus tausenden von Blenden hinter einer Glasfassade, durch die das Sonnenlicht reguliert wird. Computergesteuert. Großartig. High Tech. Und durch die Anordnung der Blenden ergibt sich ein Muster, das in seiner Symbolik sehr stark an arabische Muster erinnert. So schön!
Im Inneren kann man Ausstellungen anschauen, die Bibliothek besuchen, den Buchladen, Seminare und Veranstaltungen, … oder einfach mit dem Aufzug auf das Dach fahren und den Ausblick auf Paris genießen (ganz kostenlos!).
Mein zweiter persönlicher Favorit liegt ein wenig außerhalb im 19. Arrondissement: La Villette. Ursprünglich (wie La Défense) eine kleine Ortschaft, die im 19. Jahrhundert Paris eingemeindet wurde und die hauptsächlich aus Viehmärkten und Schlachthäusern bestand. Nachdem diese nicht mehr genutzt und/oder verlagert worden waren, ging es hinab mit dem Viertel am Bassin de la Villette (übrigens mit einer der letzten Hebebrücken in Paris, die noch funktioniert). Auch hier wurde in den 1980er dann einiges verändert und es entstand der Parc de la Villette, der heute der größte Park der Stadt Paris und ihre zweitgrößte Grünfläche ist. Die gesamte Anlage wurde Anfang der 1980er vom Schweizer Architekten Bernard Tschumi geplant und beinhaltet heute große Wiesen, Themengärten, das Zénith (ein Konzertgebäude), ein IMAX-Kino, ein Wissenschaftsmuseum (so ganz nebenbei das größte populärwissenschaftliche Museum Europas!), Ausstellungsräume, Theater, Spielplätze, Freiluft-Fitness-Center und vieles mehr.
Ach, und so ganz nebenbei findet sich hier ein weiteres Gebäude des Architekten Jean Nouvel: die Philharmonie de Paris. Befördert durch den französischen Komponisten, Dirigenten Pierre Boulez war der Bau Anfang der 2000er geplant und begonnen worden und schlussendlich 2015 durch François Hollande eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Nouvel bereits – nach heftigen Querelen – von dem Bau distanziert. Die Gerichtsverfahren dauern bis heute… Dennoch ist das Gebäude faszinierend, hat eine silbrige Fassade mit stilisierten Vögeln aus Aluminium – eine Einheit bildend und doch einzelne Elemente. Der große Konzertsaal wird wegen seiner Akustik sehr geschätzt. Und es ist eines der herausragenden Monumente, die man hier, quasi „am Ende der Stadt“, nicht unbedingt erwartet.
Apropos Stadt: irgendwann wird es dann vielleicht auch mal wieder Zeit, zurückzukehren in das Zentrum. Hier empfehle ich einen Besuch im 6. Arrondissement bei Hermès. Wer mag, kann shoppen gehen – aber bitte auch dem Inneren des Gebäudes einen Blick gönnen! Der Flag-Shop der Luxusmarke befindet sich nämlich in einem ehemaligen Schwimmbad, dem Piscine Lutetia, das 1935 im Art déco-Stil errichtet wurde. Zunächst hoteleigenes Schwimmbad eines Hotels, war es nach dem Zweiten Weltkrieg öffentlich zugänglich. Ab den 1970ern bedauerlicherweise nur noch als Lager genutzt ist es nach Renovierung seit 2010 glücklicherweise wieder öffentlich zugänglich und ein Augenschmaus!
…nicht weit entfernt übrigens auch das berühmte Café de Flore – ein Treffpunkt der Intellektuellen, der Reichen und Schönen. …einen Kaffee bekommt man allerdings auch ohne „großen“ Namen – wenn man denn einen Sitzplatz ergattert!
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